Der persönliche Winter
6. Juni 2021
Putzfee
18. Juli 2021
parallax background
 

Bis das der Tod Euch scheidet

 
Sonntagmorgen in Weisbrunn, die Vögel zwitschern, ich höre einen „meiner“ Spechte klopfen, es regnet, das Wetter passt zu einem Blick zurück, zurück zu einem Leben, welches mich letztendlich bis hierherführte. Einem Leben, das voll Friede, Freude, Eierkuchen begann und so tragisch endete vor 3 Jahren plus x Monaten.
Ich lernte meinen Mann in Flensburg kennen, Studentenwohnheim an der Exe, 1984, so lange ist das schon her, fast 2/3 meines Lebens, was für eine unglaublich lange Zeitspanne! Ich kam, auch daran erinnere ich mich noch genau, von einem Besuch einer Verhandlung des Finanzgerichts Hamburg, meiner Ausbildung geschuldet, um meine Freundin „Ellenlang“ zu besuchen. Da ich vor der verabredeten Zeit dort ankam, war sie nicht dort und „Er“ öffnete mir die Tür. Whow, den Mitbewohner kannte ich noch nicht, sah interessant aus, im Laufe des Wochenendes trafen wir uns mehrfach in der Gemeinschaftsküche, und ja, er war auch interessiert. Irgendwann besuchte ich dann nicht mehr meine Freundin, sondern ihn, der tatsächlich einen Namen hatte: Klaus Peter.

1990 zog ich dann mit dem ersten Mann in meinem Leben zusammen, die Fernbeziehung hatte ein Ende, in Großsolt verbrachten wir fast 5 glückliche Jahre, eigenes Heim, das Leben der nahen „Großstadt“ Flensburg genießend, mit dem Wohnmobil umherreisend, alles passte, bis auf eins: Wir waren nicht verheiratet, kinderlos, meine Verwandtschaft nervte und da war doch was mit dem Verheiratetenzuschlag und dem Splittingtarif? Hochzeitstermin auf den 31.12.1993 gelegt, dann haben in 25 Jahren auch alle Zeit, keine Ausrede nicht zur Silberhochzeit zu erscheinen, sehr langfristige Planung, tja, so war das damals. Die kirchliche Hochzeit sollte im folgenden Sommer nachgeholt werden, unterblieben, wie so vieles.

Mein Mann war in Sennfeld aufgewachsen, waschechter Franke, er wollte zurück in seine Heimat, das wusste ich von Beginn an, dachte mir aber nichts dabei, warum auch? Die Urlaube dort unten waren immer ganz nett, dass ich die meisten Menschen nicht verstand, hm, die Speisekarte sehr Fleisch lastig war, es weder Lakritze noch „echtes“ Schwarzbrot gab, von Kluntje Kandis ganz zu schweigen, geschenkt. Das wird schon, dass bekomme ich hin.

Der Traum meines Mannes ging in Erfüllung, er bekam im Mai 1994 seine Wunscharbeits-stelle in der aufzubauenden Papierfabrik Palm, wie lange hatte er mir davon vorgeschwärmt, da wollte er hin! Also landeten wir aufgrund einer Klausel seines Arbeitsvertrags am Ende in Weisbrunn, das einzige akzeptable Haus, das es damals zu kaufen gab, stand dort. Ich hatte das Haus vor Vertragsunterzeichnung nicht einmal gesehen: „Vertrau mir!“. Und ich tat es!

Mein Arbeitsplatzwechsel war nicht ganz so einfach, aber im April 1995 hatte ich es geschafft: Beamtin im Freistaat Bayern, yeah! Aller Anfang ist schwer?! Ja, allein schon die Begrüßung durch den damaligen Vorsteher, ja, so hießen, die damals tatsächlich noch, im Finanzamt Bamberg machte mir klar: Ich bin nicht mehr im frauenfördernden Schleswig-Holstein! Schluck, wie hierarchisch war das denn hier? Und das war erst der Angang! Wer kennt das Buch „Nicht ohne meine Tochter?“ Ob Wahrheit oder Fiktion, aber genauso erging es mir, langsam, aber sicher! Mein Mann veränderte sich, kaum zurück in seiner Heimat! Plötzlich war mein Verhalten ihm peinlich, seine Arbeit als Ingenieur mehr wert als meine, manches ging auch sehr subtil vonstatten, aber die Veränderung war da, es wurde plötzlich überlegt, was die Nachbarn sagen könnten, etwas, was uns im Norden nicht die Bohne interessiert hatte, und und und. Langsam fühlte ich mich wie in einem Korsett, welches immer enger wurde.

Enger wurde es auf jeden Fall als im September 1996 unser Sohn geboren wurde. Zwei Jahre zu Hause im Dorf, keine Freunde oder Verwandte in der Nähe, vieles fremd, kein eigenes Geld mehr verdienend, ein schreiender Säugling, trotz anderem Elternteil alleinerziehende Mutter. Dazu wie selbstverständlich Haushalt und Garten, mag sein, dass andere Frauen darin Erfüllung finden, ich nicht! Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich nicht studieren brauchen, so einfach ist das! Wie war ich froh, als ich nach 2 Jahren wieder Teilzeit arbeiten konnte, nachdem ich mit viel Mühe eine passende Tagesmutter gefunden hatte, später dann einen Kindergarten, erste Freundinnen sich einstellten. Nein, Freundschaften ergeben sich nicht von selbst, da muss Frau schon etwas dazu tun!

Schulzeit eines Kindes, welches nicht der Norm entspricht, sehr häufig gemobbt wird, wie anstrengend ist das denn? Und der Vater? Abgetaucht?! Später wurde es etwas besser, da gab es sogar Vater und Sohn Urlaube in den Herbstferien, immerhin eine ganze Woche lang kein Betreuungsdruck bei der Mutter. So etwas wirkt sich auf die Ehegattenbeziehung aus, ohne Zweifel, und verständlicher Weise nicht positiv. So ging die Zeit dahin, Gewöhnung ans Hamsterrad, kein gucken nach rechts und links, Akzeptanz des Istzustandes als „normal“, auch wenn schon seit Jahren sehr deutlich war, dass diese Ehe keinen von uns beiden glücklich machte, Scheidung für meinen Mann ein „no go“ war, was er auch mit allen Mitteln verdeutlichte. Midlife-Crisis oder handfeste Depression, egal, was es war, es machte das Leben für alle Beteiligten schwer, jahrelang. Arztbesuche trotz massiver Herzeschwerden? Nein, danke, er doch nicht.
Lange Jahre habe ich es versucht ihn zum Arzt zu bewegen, damit es ihm besser geht. Hilfe konnte er leider nicht wirklich annehmen und so blieb uns - mir und meinem Sohn - nichts weiter übrig, als das Leben zu akzeptieren, wie es nun mal war. Ja, und so kam es, wie es fast schon zwangsläufig kommen musste: Tod durch Herzinfakt für meinen Mann und für meinen Sohn und mich ein besseres Leben:

Mein Sohn und ich - wir haben ihn verloren. Ich bin geblieben und hab das Versprechen eingehalten.

Bis das der Tod Euch scheidet.