Chiffre ins Glück?
31. August 2021BESSER SEHEN 2.0
Besser sehen 2.0
Es ist Morgen, so ganz langsam werde ich wach, die Sonne scheint schon durch mein Schlafzimmerfenster, bringt Licht in die Bude. Nach dem Stand der Sonne an der Wand ist es ungefähr acht Uhr. Also langsam aufgestanden, ab ins Badezimmer und vorsichtig unter das warme Wasser, denn die Devise nach meinen Augenoperationen der letzten Tage lautete: „Kein Wasser oder gar Shampoo in die Augen!“ Es ist mir ein Bedürfnis die Reste von der Joddesinfektion aus den Haaren zu waschen, mich wieder als sauberer Mensch fühlen. Die vorgegebene Mindestwartezeit von zwei Tagen ist um und deshalb: Rein ins Vergnügen, Wasser sparen hebe ich mir für ein anderes Mal auf.
Ja, ich habe mir nach langem innerem Kampf Kunstlinsen einsetzen lassen. Das Drama, und für mich waren die letzten Wochen und Monate ein wahres Drama, fing an, als ich Ende November 2020 im Garten stürzte und mir dabei ganz böse meine Brille verbog. Sonst war mir bis auf blaue Flecken nichts passiert, aber die Sache mit der Brille nahm unglaubliche Ausmaße an. Jeder Versuch, die Brille so zu biegen, dass ich wieder so gut sehen konnte wie vor dem Sturz, war zum Scheitern verurteilt. Anfangs war ich nahezu täglich beim Optiker meines Vertrauens, langsam gingen uns die Ideen aus, in welche Richtung ein µ mehr für optimales Sehen sorgen würde. Ende Februar reichte es mir. Ich kaufte mir ein sehr schönes neues Gestell und konnte immerhin vier Wochen lang alles klar und deutlich erkennen, wieder richtig gut gucken. Aber dann hatte ich durch pure Dusseligkeit den nächsten Unfall bei der Gartenarbeit und wir waren so schlau wie vorher. Nichts ging mehr, nein, soweit nicht, aber auch kein „mit dem Zweiten sehen Sie besser!“
Meine Kosmetikerin hatte letztes Jahr wegen grauen Stars einen Linsentausch vornehmen lassen und war sehr zufrieden, alles hatte problemlos geklappt, zumindest erzählte sie nichts Gegenteiliges, sondern drängte mich es ihr gleich zu tun. Irgendwann war ich weichgekocht, hatte ein Beratungsgespräch bei meiner Augenärztin, die mir die Augenklinik in Fürth mit beredeten Worten empfahl. Mitte Juni wurden dort meine Augen auf Herz und Nieren geprüft und für operabel befunden. Alle Aufklärungsgespräche fanden auch gleich statt, die notwendigen Papiere wurden von mir unterzeichnet. Der angeforderte Kostenvoranschlag traf kurze Zeit später bei mir ein. Bedauerlicher weise hatte ich bei den Prüfungen und Untersuchungen 100 von 100 Punkten erreicht oder so ähnlich, etwas, was sonst nie passiert, entsprechend fiel der begleitende Kurzbericht aus. Mit dem Kostenvoranschlag und dem Kurzbericht wandte ich mich zum einen an die Beihilfe und zum anderen an die ergänzende Krankenkasse. Einer ersten Ablehnung konnte mit einer ausführlichen Stellungnahme meiner Augenärztin abgeholfen werden, am Ende hatte ich nach sehr langer Prüfungsdauer beide Zusagen. Beide allerdings übereinstimmend mit dem Hinweis das viele Kostenfaktoren unnötig seien, die Behandlung bei der Art der Erkrankung partiell nicht indiziert, kurzum die Klinik völlig überteuert sei. Mein voraussichtlicher Eigenteil liegt bei mehr als 1.000,00 €, Reklamationen und eine Bitte auf Anpassung des Kostenvoranschlags waren erfolglos. Ich beschloss nach langer Diskussion mit mir selbst mich trotzdem dort operieren zu lassen, wenn nötig würde ich halt die Rechnung nur unter Vorbehalt begleichen. Überteuerung bin ich als Privatpatientin gewöhnt, das scheint dazu zu gehören, aber Abzocke ist dann doch noch mal was anderes. 25 % über den normalen Kosten, dafür sollte die Leistung dann aber auch extrem überdurchschnittlich sein! Mindestens!
Der Tag der OP, naja, die Tage der OP kamen näher und es gab viel zu organisieren, weil mein Kind aufgrund eigener Berufstätigkeit nicht mehr auf Zuruf zur Verfügung stand. Da ich aber von einer erwachsenen Person abgeholt und 24 Stunden „überwacht“ werden musste, haben wir die „Betreuung“ mit viel guten Willen hinbekommen.
Anreise mit dem Zug nach Fürth, das sonnige Wetter in der Fußgängerzone genossen, ich war deutlich zu früh vor Ort, hatte also Zeit für ein leichtes Mittagessen und einen letzten Blick. Denn egal wie die Operation am linken Auge verlaufen würde, so wie vorher würde es nie mehr werden!
Schon am Empfang stellte ich fest, dass Datenschutz in dieser Klinik ein Fremdwort ist, definitiv. Krankengeschichte eruiert gleich neben dem vollen Wartezimmer, hoffentlich waren die dort Wartenden nur mit sich selbst beschäftigt und/oder hatten das Hörgerät nicht an. Das ist in Zeiten der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) einfach nicht mehr zeitgemäß, Abhilfe wäre aus meiner Sicht leicht möglich, aber mich fragt ja keiner!
Der Anästhesist war voll in Ordnung, wenigstens etwas. Aber das Personal, wie aus dem letzten Jahrhundert. Diese Attitüde, unglaublich, aber leider nur zu wahr. O-Ton der Arzthelferin, okay, wahrscheinlich ist die korrekte Berufsbezeichnung ein andere, im Rahmen der OP-Vorbereitung: „Wir setzten uns jetzt dieses Haarnetz auf und wir tauschen jetzt die Maske, hier ist eine frische!“ Und dann, Steilvorlage, fragte sie, ob sie noch etwas für mich tun könne. „Ja“, sagte ich, „Sie können den Pluralis Majestatis weglassen! Es gibt keinen Grund mich so herablassend zu behandeln!“ Sie verstand natürlich nicht, was ich meinte, also habe ich ihr ganz deutlich erklärt, dass es ja nur darum ginge, dass
ich ein Haarnetz aufsetze und die Maske tausche und nicht
„wir“. Das ich mit diesen Satz keine Freundin gewann, war mir genauso klar, wie die Tatsache, dass der Pluralis Majestatis natürlich etwas ganz anderes ist, aber ich konnte nicht anders. Ich bin kein kleines Kind und will auch nicht als solches behandelt werden!
Anschließend ging es weiter in den Operationssaal, wo wirklich, so weit ich es in der Kürze der Zeit sehen konnte, bevor ich mich auf eine Liege legte (weder Bett noch Tisch scheint als Bezeichnung passend), wie am Fließband gearbeitet wurde. Hm, gut oder schlecht? Routine gegen Überlastung, Zeit und Arbeitsdruck? Keine Ahnung. Aber die Schwester musste dreimal stechen bis der Zugang für das Beruhigungsmittel saß. Hat was, nämlich am Ende ein sehr großes Hämatom auf dem Handrücken. Fing ja schon gut an. Der Arzt stellte sich vor, zeigte mir das Schätzchen, die Linse in der Verpackung, und dann kann ich mich nur noch erinnern, wie Schmerzen im Auge mich „Au“ sagen ließen. Ein Schaben und Kratzen, tat das weh. Statt Schmerzmittel wurde das Beruhigungsmittel erhöht, ich sah weiterhin Lichter und Blitze, irgendwann war es vorbei. Die Augenklappe war durchsichtig, puh, sehen konnte ich aber dadurch trotzdem nur Schatten. Aber was soll‘s, das rechte Auge funktionierte ja noch tadellos und mein Kind brachte mich sicher zur Apotheke und nach Hause. Ich schlief nach all der Aufregung und den Beruhigungsmitten wie ein Stein.
Am zweiten Tag sollte vor der Operation des rechten Auges im 3. Stock des Gebäudes das linke Auge hinsichtlich eines gelungenen Operationsverlaufs im 2. Stock untersucht werden. Ja, frohen Mutes kam ich dort an, gab meine Laufmappe ab und wurde nach relativ kurzer Zeit in ein Behandlungszimmer gebeten. Dort wurde zunächst der Augeninnendruck von beiden Augen gemessen, so weit so gut, obwohl ich die Prüfung des rechten Auges nicht verstand. Aber ich hielt mich zurück. Anschließend sollte das Sehvermögen des rechten Auges, das, welches im 3.Stock nur kurze Zeit später operiert werden sollte, getestet werden. Ich fragte nach dem Sinn dieser Übung, denn ich war ja da, um mein linkes Age untersuchen zu lassen. Die Antwort war ganz einfach: „Das machen wir immer so!“ Ich versuchte zu erklären, warum diese Untersuchung für mich keinen Sinn ergäbe, Antwort dieselbe. Also gut oder besser schlecht, eingedenk dessen, dass ja im 3. Stock auf mich gewartet wurde, spielte ich noch ein bisschen mit. Zu bunt wurde es mir aber als ich die Brille aufsetzen sollte und mit dem korrigierten linken Auge, wir erinnern uns, Kunstlinse mit Korrektur ist drin, Brille korrigiert auch, ich beim besten Willen nichts erkennen konnte. Darauf kam die Ansage, dass sie in die Patientenakte reinschreiben würde, dass die Patientin nicht mitarbeitet. Mitgeteilt, dass das so nicht stimme, die Tests aber in meinem Fall völlig sinnfrei seien, und sie mir den Sinn ja auch bisher nicht erläutert habe. „Das machen wir immer so!“ Meine Antwort: „Nein, das stimmt nicht, gestern vor der Operation des linken Auges wurde das nicht gemacht“ „Ich arbeite seit 3 Jahren hier, das machen wir immer so.“ Halleluja, wer von uns beiden war jetzt die Uneinsichtige? Und nein, der Disput war nicht lustig. Ich wurde im 3. Stock erwartet, ein Arzt sollte die gestrige OP kontrollieren und nichts, aber auch gar nichts war bisher in dieser Richtung geschehen. Ich wurde wieder ins Wartezimmer gesetzt und konnte dann mitanhören, wie über mich hergezogen wurde. Super, das mündige Patienten aber auch immer solch einen Ärger machen müssen. 20 Minuten später, wir erinnern uns, ich wurde im 3. Stock erwartet, durfte ich bei einer Kollegin, nicht Arzt, erneut einen Sehtest ablegen, für links und rechts, ja, tatsächlich schon wieder. Links würde ich mit der Linse ganz gut sehen, okay, mit der Information kann ich was anfangen. Auf zum Sehtest rechts. Ich fragte auch hier nach dem Sinn schließlich wartete ja das Operationsteam auf mich, jedes Ergebnis wäre in wenigen Minuten Schall und Rauch. Auch hier die klare Ansage: „Das machen wir immer so!“ „Nein machen Sie nicht, ich wurde hier gestern ohne Sehtest operiert.“ „Das machen wir immer so!“ Habe ich schon Alzheimer? Nein, natürlich nicht, aber langsam fing ich an es zu glauben. Sie las dann in meiner Patientenakte und teilte mir mit, ja, das linke Auge sei gestern tatsächlich nicht untersucht worden, sondern bereits am 14.06.2021. Sag ich ja. Aber das rechte müssen wir untersuchen und prüfen. Hilfe, wo bin ich hier? „Das rechte Auge wurde am selben Tag untersucht, bitte schauen Sie noch einmal nach.“ „Das machen wir immer so, wenn zwischen Untersuchung und Operation so viel Zeit vergangen ist. Sie müssen noch auf den Arzt warten, der Augenhintergrund muss noch kontrolliert werden.“ „Warum, das rechte Auge wird doch gleich operiert?!!“ „Das machen wir immer so bei grauem Star.“ Schweigen, lesen in der Krankenakte. „Ach, Sie haben ja gar keinen, ihre Augen sind gesund“. Und damit war ich nach gut 40 Minuten entlassen, mein Blutdruck inzwischen in ungeahnten Höhen, meine Sehfähigkeit rechts mehrfach geprüft, nur mein linkes Auge, worum es eigentlich ging, hatte sich kein Arzt angeschaut. Das machen wir immer so! Alles klar!
Im 3.Stock wurde ich schon fast händeringend erwartet, kein Wunder, anscheinend geht so eine Nachkontrolle im Normalfall recht fix. Normalfall Patient hält den Mund, vermute ich ganz stark, egal was mit ihm oder ihr angestellt wird.
An der Tür des Operationssaales wurde ich in Empfang genommen, wies aber gleich darauf hin, dass ich heute noch keine Operationsvorbereitungen weiter mitgemacht hätte, ich habe ja noch nicht einmal eine frische Maske bisher erhalten… Das macht nichts wurde mir gesagt, ich zur Liege geführt, machte es mir bequem, soweit es eben ging, wies die Schwester daraufhin, dass ich einen Zugang auf der rechten Handoberseite verweigern würde wegen des Blutergusses, bekam zur Antwort: „Das würden wir nie machen!“ Nach meinen Erlebnissen im 2. Stock war ich mir da inzwischen gar nicht mehr sicher. Blutdruckmanchette wurde angelegt, die Elektroden für die Kontrolle der Vitalfunktionen waren gerade alle aufgeklebt, als die Schwester auf das Bett zugestürzt/gestürmt kam: “Sie waren heute noch nicht bei der Anästhesistin!“ „Stimmt, hatte ich ihnen aber gesagt. Aber ich hatte doch gestern für heute unterschrieben, dass eine wiederholte Anästhesie erlaubt sei.“ Nein, darum ginge es nicht, der Blutdruck müsse gemessen werden. Jetzt wurde ich auch lauter.
Die Szene: Patientin liegt auf den „OP-Tisch“, ist an ein Blutdruckmessgerät angeschlossen, die Elektroden kleben alle, aber der Patientin werden umgehend und in Windeseile alle wieder entfernt. Ich war gerade beim Aufstehen als das Glück mir endlich hold war: Heute hatte der Narkosearzt, mit dem ich gestern rumgeflachst hatte, Dienst im Saal. Er bestimmte, dass ich liegen bleiben könne, den Blutdruck könne er auch hier messen. Dem Himmel sei Dank, ein Mann mit Verstand und Kompetenz. Blutdruck war hoch, keine Wunder bei den Erlebnissen der letzten Stunde, aber für die OP noch okay. Tropfanästhesie im rechten Auge, dann lange nichts mehr, gefühlt zumindest, und dann, wusch, das Desinfektionsmittel ins rechte Auge, naja, die Betäubung hatte tatsächlich schon nachgelassen, ich konnte einen Schmerzensschrei nicht ganz unterdrücken. Ich erinnere mich noch gesagt zu haben, dass ein Schmerzmittel reichen würde, keine Erhöhung der Sedierung. Ich sah während der dieses Mal tatsächlich völlig schmerzfreien OP wieder bunte Farben etc., aber keine Spur von Kratzen und Schaben. Dafür war ich hinterher so wackelig auf den Beinen, dass ich gestützt werden musste. Hatte mit dem „kein Beruhigungsmittel mehr“ definitiv nicht geklappt. So, und da stehe ich nun nach dem Duschen, Abtrocknen, Eincremen und Augen tropfen vor dem Spiegel und was sehe ich? Ich sehe mich selbst, mein Spiegelbild, so, wie ich mich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen habe. Das ich besser sehen kann, war mir schon beim Duschen aufgefallen, mein Körper sah anders aus. Das Gesicht im Spiegel ist mir vertraut und fremd zugleich. Sprich, aus meiner Sicht, sind die Operationen, das Einsetzen der Linsen gut verlaufen. Im Laufe des Tages werde ich feststellen, dass Sehen jetzt anders funktioniert: Ich sehe Dinge ohne Brille, die ich teilweise vorher nicht einmal erahnen konnte, andere Dinge wie einen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, gehen dagegen nicht mehr, auch nicht mit Übergangsbrille. Tja, meine Übergangsbrille, wie leicht die ist, unglaublich. Stecke ich diese in eine Jackentasche, bleibt die Jacke trotzdem im Gleichgewicht, früher, so vor der OP, war das deutlich anders. Nur sehen, hm, da ergänzen sich die Linsen und die Gläser kaum. Aber was soll’s, maximal sechs Wochen und dann geht es los, das neue Leben!
Drei Tage später werde ich feststellen, dass der weiße Scheitel im Spiegel keine Fata Morgana ist, das graue Schimmern im doch erst vor drei Wochen gefärbten Haar nicht mit einer schlechten Beleuchtung im Bad zusammenhängt, sondern eindeutig mit der Augenoperation, ich vermute mit dem Stress am zweiten OP-Tag. Nichts gegen grau, hatte ich auch vorher schon, mehr als eine Strähne, aber doch nicht aufgrund so einer Lappalie! Von dieser Nebenwirkung hatte ich nichts, aber auch gar nichts im Aufklärungsgespräch gehört oder in den ausgehändigten Dokumenten gelesen. Zu spät, jetzt bin ich nicht nur alt, sondern auch weise!
Ja, ich habe mir nach langem innerem Kampf Kunstlinsen einsetzen lassen. Das Drama, und für mich waren die letzten Wochen und Monate ein wahres Drama, fing an, als ich Ende November 2020 im Garten stürzte und mir dabei ganz böse meine Brille verbog. Sonst war mir bis auf blaue Flecken nichts passiert, aber die Sache mit der Brille nahm unglaubliche Ausmaße an. Jeder Versuch, die Brille so zu biegen, dass ich wieder so gut sehen konnte wie vor dem Sturz, war zum Scheitern verurteilt. Anfangs war ich nahezu täglich beim Optiker meines Vertrauens, langsam gingen uns die Ideen aus, in welche Richtung ein µ mehr für optimales Sehen sorgen würde. Ende Februar reichte es mir. Ich kaufte mir ein sehr schönes neues Gestell und konnte immerhin vier Wochen lang alles klar und deutlich erkennen, wieder richtig gut gucken. Aber dann hatte ich durch pure Dusseligkeit den nächsten Unfall bei der Gartenarbeit und wir waren so schlau wie vorher. Nichts ging mehr, nein, soweit nicht, aber auch kein „mit dem Zweiten sehen Sie besser!“
Meine Kosmetikerin hatte letztes Jahr wegen grauen Stars einen Linsentausch vornehmen lassen und war sehr zufrieden, alles hatte problemlos geklappt, zumindest erzählte sie nichts Gegenteiliges, sondern drängte mich es ihr gleich zu tun. Irgendwann war ich weichgekocht, hatte ein Beratungsgespräch bei meiner Augenärztin, die mir die Augenklinik in Fürth mit beredeten Worten empfahl. Mitte Juni wurden dort meine Augen auf Herz und Nieren geprüft und für operabel befunden. Alle Aufklärungsgespräche fanden auch gleich statt, die notwendigen Papiere wurden von mir unterzeichnet. Der angeforderte Kostenvoranschlag traf kurze Zeit später bei mir ein. Bedauerlicher weise hatte ich bei den Prüfungen und Untersuchungen 100 von 100 Punkten erreicht oder so ähnlich, etwas, was sonst nie passiert, entsprechend fiel der begleitende Kurzbericht aus. Mit dem Kostenvoranschlag und dem Kurzbericht wandte ich mich zum einen an die Beihilfe und zum anderen an die ergänzende Krankenkasse. Einer ersten Ablehnung konnte mit einer ausführlichen Stellungnahme meiner Augenärztin abgeholfen werden, am Ende hatte ich nach sehr langer Prüfungsdauer beide Zusagen. Beide allerdings übereinstimmend mit dem Hinweis das viele Kostenfaktoren unnötig seien, die Behandlung bei der Art der Erkrankung partiell nicht indiziert, kurzum die Klinik völlig überteuert sei. Mein voraussichtlicher Eigenteil liegt bei mehr als 1.000,00 €, Reklamationen und eine Bitte auf Anpassung des Kostenvoranschlags waren erfolglos. Ich beschloss nach langer Diskussion mit mir selbst mich trotzdem dort operieren zu lassen, wenn nötig würde ich halt die Rechnung nur unter Vorbehalt begleichen. Überteuerung bin ich als Privatpatientin gewöhnt, das scheint dazu zu gehören, aber Abzocke ist dann doch noch mal was anderes. 25 % über den normalen Kosten, dafür sollte die Leistung dann aber auch extrem überdurchschnittlich sein! Mindestens!
Der Tag der OP, naja, die Tage der OP kamen näher und es gab viel zu organisieren, weil mein Kind aufgrund eigener Berufstätigkeit nicht mehr auf Zuruf zur Verfügung stand. Da ich aber von einer erwachsenen Person abgeholt und 24 Stunden „überwacht“ werden musste, haben wir die „Betreuung“ mit viel guten Willen hinbekommen.
Anreise mit dem Zug nach Fürth, das sonnige Wetter in der Fußgängerzone genossen, ich war deutlich zu früh vor Ort, hatte also Zeit für ein leichtes Mittagessen und einen letzten Blick. Denn egal wie die Operation am linken Auge verlaufen würde, so wie vorher würde es nie mehr werden!
Schon am Empfang stellte ich fest, dass Datenschutz in dieser Klinik ein Fremdwort ist, definitiv. Krankengeschichte eruiert gleich neben dem vollen Wartezimmer, hoffentlich waren die dort Wartenden nur mit sich selbst beschäftigt und/oder hatten das Hörgerät nicht an. Das ist in Zeiten der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) einfach nicht mehr zeitgemäß, Abhilfe wäre aus meiner Sicht leicht möglich, aber mich fragt ja keiner!
Der Anästhesist war voll in Ordnung, wenigstens etwas. Aber das Personal, wie aus dem letzten Jahrhundert. Diese Attitüde, unglaublich, aber leider nur zu wahr. O-Ton der Arzthelferin, okay, wahrscheinlich ist die korrekte Berufsbezeichnung ein andere, im Rahmen der OP-Vorbereitung: „Wir setzten uns jetzt dieses Haarnetz auf und wir tauschen jetzt die Maske, hier ist eine frische!“ Und dann, Steilvorlage, fragte sie, ob sie noch etwas für mich tun könne. „Ja“, sagte ich, „Sie können den Pluralis Majestatis weglassen! Es gibt keinen Grund mich so herablassend zu behandeln!“ Sie verstand natürlich nicht, was ich meinte, also habe ich ihr ganz deutlich erklärt, dass es ja nur darum ginge, dass
ich ein Haarnetz aufsetze und die Maske tausche und nicht
„wir“. Das ich mit diesen Satz keine Freundin gewann, war mir genauso klar, wie die Tatsache, dass der Pluralis Majestatis natürlich etwas ganz anderes ist, aber ich konnte nicht anders. Ich bin kein kleines Kind und will auch nicht als solches behandelt werden!
Anschließend ging es weiter in den Operationssaal, wo wirklich, so weit ich es in der Kürze der Zeit sehen konnte, bevor ich mich auf eine Liege legte (weder Bett noch Tisch scheint als Bezeichnung passend), wie am Fließband gearbeitet wurde. Hm, gut oder schlecht? Routine gegen Überlastung, Zeit und Arbeitsdruck? Keine Ahnung. Aber die Schwester musste dreimal stechen bis der Zugang für das Beruhigungsmittel saß. Hat was, nämlich am Ende ein sehr großes Hämatom auf dem Handrücken. Fing ja schon gut an. Der Arzt stellte sich vor, zeigte mir das Schätzchen, die Linse in der Verpackung, und dann kann ich mich nur noch erinnern, wie Schmerzen im Auge mich „Au“ sagen ließen. Ein Schaben und Kratzen, tat das weh. Statt Schmerzmittel wurde das Beruhigungsmittel erhöht, ich sah weiterhin Lichter und Blitze, irgendwann war es vorbei. Die Augenklappe war durchsichtig, puh, sehen konnte ich aber dadurch trotzdem nur Schatten. Aber was soll‘s, das rechte Auge funktionierte ja noch tadellos und mein Kind brachte mich sicher zur Apotheke und nach Hause. Ich schlief nach all der Aufregung und den Beruhigungsmitten wie ein Stein.
Am zweiten Tag sollte vor der Operation des rechten Auges im 3. Stock des Gebäudes das linke Auge hinsichtlich eines gelungenen Operationsverlaufs im 2. Stock untersucht werden. Ja, frohen Mutes kam ich dort an, gab meine Laufmappe ab und wurde nach relativ kurzer Zeit in ein Behandlungszimmer gebeten. Dort wurde zunächst der Augeninnendruck von beiden Augen gemessen, so weit so gut, obwohl ich die Prüfung des rechten Auges nicht verstand. Aber ich hielt mich zurück. Anschließend sollte das Sehvermögen des rechten Auges, das, welches im 3.Stock nur kurze Zeit später operiert werden sollte, getestet werden. Ich fragte nach dem Sinn dieser Übung, denn ich war ja da, um mein linkes Age untersuchen zu lassen. Die Antwort war ganz einfach: „Das machen wir immer so!“ Ich versuchte zu erklären, warum diese Untersuchung für mich keinen Sinn ergäbe, Antwort dieselbe. Also gut oder besser schlecht, eingedenk dessen, dass ja im 3. Stock auf mich gewartet wurde, spielte ich noch ein bisschen mit. Zu bunt wurde es mir aber als ich die Brille aufsetzen sollte und mit dem korrigierten linken Auge, wir erinnern uns, Kunstlinse mit Korrektur ist drin, Brille korrigiert auch, ich beim besten Willen nichts erkennen konnte. Darauf kam die Ansage, dass sie in die Patientenakte reinschreiben würde, dass die Patientin nicht mitarbeitet. Mitgeteilt, dass das so nicht stimme, die Tests aber in meinem Fall völlig sinnfrei seien, und sie mir den Sinn ja auch bisher nicht erläutert habe. „Das machen wir immer so!“ Meine Antwort: „Nein, das stimmt nicht, gestern vor der Operation des linken Auges wurde das nicht gemacht“ „Ich arbeite seit 3 Jahren hier, das machen wir immer so.“ Halleluja, wer von uns beiden war jetzt die Uneinsichtige? Und nein, der Disput war nicht lustig. Ich wurde im 3. Stock erwartet, ein Arzt sollte die gestrige OP kontrollieren und nichts, aber auch gar nichts war bisher in dieser Richtung geschehen. Ich wurde wieder ins Wartezimmer gesetzt und konnte dann mitanhören, wie über mich hergezogen wurde. Super, das mündige Patienten aber auch immer solch einen Ärger machen müssen. 20 Minuten später, wir erinnern uns, ich wurde im 3. Stock erwartet, durfte ich bei einer Kollegin, nicht Arzt, erneut einen Sehtest ablegen, für links und rechts, ja, tatsächlich schon wieder. Links würde ich mit der Linse ganz gut sehen, okay, mit der Information kann ich was anfangen. Auf zum Sehtest rechts. Ich fragte auch hier nach dem Sinn schließlich wartete ja das Operationsteam auf mich, jedes Ergebnis wäre in wenigen Minuten Schall und Rauch. Auch hier die klare Ansage: „Das machen wir immer so!“ „Nein machen Sie nicht, ich wurde hier gestern ohne Sehtest operiert.“ „Das machen wir immer so!“ Habe ich schon Alzheimer? Nein, natürlich nicht, aber langsam fing ich an es zu glauben. Sie las dann in meiner Patientenakte und teilte mir mit, ja, das linke Auge sei gestern tatsächlich nicht untersucht worden, sondern bereits am 14.06.2021. Sag ich ja. Aber das rechte müssen wir untersuchen und prüfen. Hilfe, wo bin ich hier? „Das rechte Auge wurde am selben Tag untersucht, bitte schauen Sie noch einmal nach.“ „Das machen wir immer so, wenn zwischen Untersuchung und Operation so viel Zeit vergangen ist. Sie müssen noch auf den Arzt warten, der Augenhintergrund muss noch kontrolliert werden.“ „Warum, das rechte Auge wird doch gleich operiert?!!“ „Das machen wir immer so bei grauem Star.“ Schweigen, lesen in der Krankenakte. „Ach, Sie haben ja gar keinen, ihre Augen sind gesund“. Und damit war ich nach gut 40 Minuten entlassen, mein Blutdruck inzwischen in ungeahnten Höhen, meine Sehfähigkeit rechts mehrfach geprüft, nur mein linkes Auge, worum es eigentlich ging, hatte sich kein Arzt angeschaut. Das machen wir immer so! Alles klar!
Im 3.Stock wurde ich schon fast händeringend erwartet, kein Wunder, anscheinend geht so eine Nachkontrolle im Normalfall recht fix. Normalfall Patient hält den Mund, vermute ich ganz stark, egal was mit ihm oder ihr angestellt wird.
An der Tür des Operationssaales wurde ich in Empfang genommen, wies aber gleich darauf hin, dass ich heute noch keine Operationsvorbereitungen weiter mitgemacht hätte, ich habe ja noch nicht einmal eine frische Maske bisher erhalten… Das macht nichts wurde mir gesagt, ich zur Liege geführt, machte es mir bequem, soweit es eben ging, wies die Schwester daraufhin, dass ich einen Zugang auf der rechten Handoberseite verweigern würde wegen des Blutergusses, bekam zur Antwort: „Das würden wir nie machen!“ Nach meinen Erlebnissen im 2. Stock war ich mir da inzwischen gar nicht mehr sicher. Blutdruckmanchette wurde angelegt, die Elektroden für die Kontrolle der Vitalfunktionen waren gerade alle aufgeklebt, als die Schwester auf das Bett zugestürzt/gestürmt kam: “Sie waren heute noch nicht bei der Anästhesistin!“ „Stimmt, hatte ich ihnen aber gesagt. Aber ich hatte doch gestern für heute unterschrieben, dass eine wiederholte Anästhesie erlaubt sei.“ Nein, darum ginge es nicht, der Blutdruck müsse gemessen werden. Jetzt wurde ich auch lauter.
Die Szene: Patientin liegt auf den „OP-Tisch“, ist an ein Blutdruckmessgerät angeschlossen, die Elektroden kleben alle, aber der Patientin werden umgehend und in Windeseile alle wieder entfernt. Ich war gerade beim Aufstehen als das Glück mir endlich hold war: Heute hatte der Narkosearzt, mit dem ich gestern rumgeflachst hatte, Dienst im Saal. Er bestimmte, dass ich liegen bleiben könne, den Blutdruck könne er auch hier messen. Dem Himmel sei Dank, ein Mann mit Verstand und Kompetenz. Blutdruck war hoch, keine Wunder bei den Erlebnissen der letzten Stunde, aber für die OP noch okay. Tropfanästhesie im rechten Auge, dann lange nichts mehr, gefühlt zumindest, und dann, wusch, das Desinfektionsmittel ins rechte Auge, naja, die Betäubung hatte tatsächlich schon nachgelassen, ich konnte einen Schmerzensschrei nicht ganz unterdrücken. Ich erinnere mich noch gesagt zu haben, dass ein Schmerzmittel reichen würde, keine Erhöhung der Sedierung. Ich sah während der dieses Mal tatsächlich völlig schmerzfreien OP wieder bunte Farben etc., aber keine Spur von Kratzen und Schaben. Dafür war ich hinterher so wackelig auf den Beinen, dass ich gestützt werden musste. Hatte mit dem „kein Beruhigungsmittel mehr“ definitiv nicht geklappt. So, und da stehe ich nun nach dem Duschen, Abtrocknen, Eincremen und Augen tropfen vor dem Spiegel und was sehe ich? Ich sehe mich selbst, mein Spiegelbild, so, wie ich mich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen habe. Das ich besser sehen kann, war mir schon beim Duschen aufgefallen, mein Körper sah anders aus. Das Gesicht im Spiegel ist mir vertraut und fremd zugleich. Sprich, aus meiner Sicht, sind die Operationen, das Einsetzen der Linsen gut verlaufen. Im Laufe des Tages werde ich feststellen, dass Sehen jetzt anders funktioniert: Ich sehe Dinge ohne Brille, die ich teilweise vorher nicht einmal erahnen konnte, andere Dinge wie einen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, gehen dagegen nicht mehr, auch nicht mit Übergangsbrille. Tja, meine Übergangsbrille, wie leicht die ist, unglaublich. Stecke ich diese in eine Jackentasche, bleibt die Jacke trotzdem im Gleichgewicht, früher, so vor der OP, war das deutlich anders. Nur sehen, hm, da ergänzen sich die Linsen und die Gläser kaum. Aber was soll’s, maximal sechs Wochen und dann geht es los, das neue Leben!
Drei Tage später werde ich feststellen, dass der weiße Scheitel im Spiegel keine Fata Morgana ist, das graue Schimmern im doch erst vor drei Wochen gefärbten Haar nicht mit einer schlechten Beleuchtung im Bad zusammenhängt, sondern eindeutig mit der Augenoperation, ich vermute mit dem Stress am zweiten OP-Tag. Nichts gegen grau, hatte ich auch vorher schon, mehr als eine Strähne, aber doch nicht aufgrund so einer Lappalie! Von dieser Nebenwirkung hatte ich nichts, aber auch gar nichts im Aufklärungsgespräch gehört oder in den ausgehändigten Dokumenten gelesen. Zu spät, jetzt bin ich nicht nur alt, sondern auch weise!